Digitale Bildung 2025

Jöran Muuß-Merholz zeichnet in seinem re:publica2015-Beitrag einen Weg zu einem totalüberwachten Bildungssystem, der durch die Verlockung der Möglichkeiten der Digitalisierung beschritten wird. Das Gerüst der Geschichte stützt er auf bereits bestehende und reale Ansätze. Beginnend beim Wunsch des Philologenverbandes Peilsender auf Schultoiletten zu installieren, bis hin zur E-Learning-Software xAPI, die nicht nur den Lernerfolg durch Fragen erfassen, sondern auch durch Tracking optimieren kann.

Dabei werden die Gründe, die zu dieser Totalüberwachung führen, unterschiedlich sein. Lehrerinnen und Lehrer, die über Apps wie Teacher Tool das Praktische zu schätzen lernen und ausweiten möchten. Oder auch allgemein das Bestreben, z.B. durch Adaptive Learning, Lernprozesse effizienter zu gestalten. Wobei alles stets in guter Absicht erfolgt.

Nach Jörans Vortrag hat mich hauptsächlich die Frage „Wie kann der Einzug der Digitalisierung im Bildungsbereich gelingen?“ beschäftigt. Zu einer sinnvollen Umsetzung gehört für mich nicht nur ein Konzept, das einen Mehrwert garantiert, sondern auch ein gesellschaftlicher Konsens, der vorher geklärt sein muss. Ein Beispiel: Je effizienter Adaptive Learning erfolgen soll, umso mehr Daten müssen gesammelt und ausgewertet werden. Mit steigender Anzahl und Genauigkeit an Daten steigt aber auch die Gefahr des Missbrauchs. Wo befindet sich die Grenze, an der die Gefahr den Nutzen übersteigt? Welches Maß an Freiräumen soll gewahrt werden, indem man den Reizen von Big Data und Trackingsystemen widersteht? Übrigens sammeln die Arbeitsagenturen von Realschülerinnen und -schülern in Baden-Württemberg seit Jahren digital Daten, im Rahmen von BORS (BerufsOrientierung an RealSchulen). Die Menge und Qualität der Daten wird sicher steigen. Anzeichen dafür sind im neuen baden-württembergischen Bildungsplan 2016 schon erkennbar. Bisher läuft das alles unter Slogans wie „Den Übergang ins Berufsleben erleichtern.“.

Der Einzug der Digitalisierung in Schulen war bisher ein schleichender Prozess, weil er kaum gelenkt wurde. Ein Beleg dafür, ist die Flut an interaktiven Whiteboards, die in den letzten Jahren konzeptlos angeschafft wurden. Mittlerweile ist das Problem in den Kultusministerien angekommen und man ist nun bemüht Pläne und Strukturen zu entwickeln. Es bleibt aber zu befürchten, dass sich der Fokus dabei ausschließlich auf die technischen, organisatorischen und bestenfalls didaktischen Herausforderungen richten wird. Wer bringt aber die Risiken von Big Data ins Spiel? Ich setzte hier auf das Netz, das die Entwicklungen kritisch begleitet und korrigiert. Jörans 2025 trägt dazu bei.

Falls es tatsächlich zu Jörans Szenario kommen sollte, dass die Bildungshoheit der Länder aus einer Notwendigkeit, die aus der Digitalisierung resultiert, an den Bund übergeben wird, würde das die Big Data-Problematik verschärfen. Eine dezentrale Verwaltung von Daten müsste angestrebt werden, um das Risiko von Missbrauch zu verkleinern.

Bisher habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Veränderungen des Schullebens durch die Digitalisierung aufgrund von Überforderung der Akteure und durch Mangel an Ressourcen zufällig erfolgten. Ich wünsche uns, dass wir mit ausreichend Kompetenz und finanziellen Mitteln in den kommenden Jahren einen Weg einschlagen, der nicht bei Jörans 2025 endet.

Wenn wir wollen, dass unsere Kinder zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern heranwachsen, dann geht das nur, wenn sie auch über ihre Daten frei entscheiden können.

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